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05.05.2014 15:01

Erstes weltweit vollständiges Gletscherinventar erstellt

Was bisher nur für wenige Gebiete galt, ist jetzt für alle Gletscherregionen der Erde bekannt: Endlich ist bekannt, wie viele Gletscher es auf der Erde gibt, wo sie sich befinden, wie gross sie sind und wie viel Eis in ihnen gespeichert ist. Das jetzt verfügbare globale Gletscherinventar ermöglicht erstmals zuverlässige Berechnungen des zukünftigen Beitrags der Gletscher zum regionalen Wasserhaushalt sowie zum globalen Meeresspiegelanstieg.


Aletsch-Gletscher. Bild Frank Paul.

Dank der Anstrengungen einer grossen internationalen Gruppe von Wissenschaftlern, welche jetzt praktisch wie alle Gletscher auf der Erde kartiert hat, ist es für Glaziologen nun möglich, mit bisher nicht erreichter Genauigkeit die Auswirkungen des Klimawandels auf alle Gletscher weltweit zu berechnen.

Insgesamt bedecken die Gletscher der Erde (ohne die Eischilde Grönlands und der Antarktis) eine Fläche von etwa 730 000 km2 (±5% Unsicherheit) und haben ein Volumen von etwa 170 000 km3. Die Anzahl der Gletscher wird zwar immer gerne nachgefragt (etwa 200 000), sie ist aber wissenschaftlich unbedeutend und ändert sich durch den Zerfall großer und das Verschwinden kleiner Gletscher ständig. Viel wichtiger ist die computer-lesbare Verfügbarkeit ihrer Abgrenzung, wodurch sich die genaue Modellierung der Gletscherreaktion auf Klimaänderungen stark verbessert.

“Dieser Zugewinn an Daten bedeutet vor allem, dass die Wissenschaftler jetzt Berechnungen machen können, welche zuvor schlichtweg unmöglich waren“ sagt Graham Cogley von der Trent Universität in Canada, einer der Koordinatoren der Arbeiten am sogenannten Randolph Gletscher Inventar (RGI), benannt nach einem kleinen Ort in New Hampshire, USA, an dem sich die Gruppe der Koordinatoren erstmals getroffen hatte. Der nun veröffentlichte Aufsatz stellt das RGI sowie erste darauf aufbauende statistische Analysen zur Verteilung der Gletscher weltweit vor.

Der Hauptgrund für die Vervollständigung des Inventars war der kürzlich veröffentlichte fünfte Sachstandsberichtes des Weltklimarates (IPCC). Zahlreiche Studien, welche eine erste Version des RGI verwendet hatten, lieferten entscheidende Beiträge zu diesem Bericht. “Ich glaube nicht, dass irgendjemand einen sinnvollen Fortschritt bzgl. der Bestimmung der zukünftigen Gletscheränderungen hätte machen können, wenn es das RGI nicht gegeben hätte“ sagt Tad Pfeffer von der Universität von Colorado, der Erstautor der Studie, welche jetzt in der Fachzeitschrift ’Journal of Glaciology’ (weblink unten) veröffentlicht wurde. Wie viele seiner Mitautoren ist auch er am Verfassen des IPCC Reports beteiligt gewesen.

Die totale Gletscherfläche der Erde ist etwa so gross wie Deutschland, die Schweiz und Polen zusammengenommen. Gemäss verschiedenen Studien enthält das in den Gletschern gespeicherte Eis zwischen 35 und 47 cm Meeresspiegeläquivalent an Wasser, d.h. der Meeresspiegel würde um diesen Betrag steigen, wenn alle Gletscher komplett schmelzen würden. Das ist weniger als die bisher angenommenen ca. 60 cm und macht weniger als 1% jener Eismasse aus, die in den Eisschilden Grönlands und der Antarktis gespeichert ist (etwa 63 m Meeresspiegeläquivalent). Allerdings sind die Gletscher dem globalen Temperaturanstieg sehr viel stärker ausgesetzt als die Eisschilde, da sich das Eis der Gletscher generell bereits am Schmelzpunkt befindet, während das Eis der Eisschilde erst erwärmt werden muss. Die Gletscher tragen daher zur Zeit etwa 1/3 zum beobachteten Meeresspiegelanstieg bei, genauso viel wie die beiden Eisschilde zusammen (das restliche Drittel stammt von der thermischen Ausdehnung des wärmeren Meerwassers).

„Das rasche Schwinden der Gletscher während der letzten 20 Jahre kann auch in den Alpen eindrucksvoll beobachtet werden“ sagt Frank Paul vom Geographischen Institut der Universität Zürich, ebenfalls Mitautor der Studie und Leitautor des im letzten September veröffentlichten ersten Teils des IPCC Berichtes. „Hier wie in vielen anderen Teilen der Welt wirkt sich der Gletscherschwund auch auf die Wasserverfügbarkeit, Naturgefahren und die Lebensbedingungen der Menschen aus. Die genaue Kenntnis dieser Wasserreserven und ihrer zukünftigen Entwicklung ist deshalb für die lokalen Behörden und die rechtzeitige Ausarbeitung von Anpassungsmassnahmen von besonderer Bedeutung“ ergänzt sein Kollege Tobias Bolch.

Das Randolph Gletscher Inventar basiert auf der gemeinsamen Arbeit von über 70 Wissenschaftlern aus 18 Ländern. Der enge Zeitplan des IPCC Berichtes verlangte eine rasche Fertigstellung des RGI. Dies wurde durch den Beitrag zahlreicher Freiwilliger Helfer, der intensiven Verwen-dung von Satellitendaten, sowie der Anwendung von Methoden der Geoinformatik erreicht. Die bereits bestehende aber unvollständige Datenbank von GLIMS (Global Land Ice Measurements from Space) diente als Grundstein für die Erstellung des RGI. Zahlreiche Projekte, welche durch die Europäische Weltraumagentur ESA, das 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union, die NASA, sowie verschiedene Universitäten finanziert wurden, trugen massgeblich zum Gelingen des RGI bei. Nicht zuletzt hat die finanzielle Unterstützung der International Association of Cry-ospheric Sciences (IACS) sowie des International Arctic Science Council (IASC) eine Reihe von Treffen der Koordinationsgruppe ermöglicht. Die Arbeit von T. Bolch, N. Mölg, F. Paul und P. Rastner am RGI wurde durch die ESA Projekte GlobGlacier und Glaciers_cci, das 7. Rahmen-programm der Europäischen Union im Projekt ice2sea sowie durch die Deutsche Forschungsge-meinschaft (DFG) ermöglicht.

Publikation:
http://www.igsoc.org/journal/60/221/j13J176.pdf

Kontakt:
Frank Paul: frank.paul (at) geo.uzh.ch, T:+41 44 6355175
Tobias Bolch: tobias.bolch (at) geo.uzh.ch, T: +41 44 6355236

Projekt ice2sea: www.ice2sea.eu
Projekt Glaciers_cci: www.esa-glaciers-cci.org


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